Lars von Triers Kultserie Das Hospital der Geister auf der Buehne des Deutschen Theaters

Kultserie auf der Bühne
Im inklusiven Reich der Geister
von Eberhard Spreng

Bereits im Jahr 2023 hatte Jan-Christoph Gockel am Schauspielhaus Graz eine Version des „Hospitals der Geister“ inszeniert. Das ist die Theaterversion einer Krankenhausserie, die der dänische Filmemacher Lars von Trier in den 1990-er Jahren gedreht hatte. Für seine Version am Deutschen Theater gibt es Verstärkung aus dem Berliner Theater RambaZamba. Aus der Fernsehserie wird Theater fürs Binge-Watchen, denn das dauert fünf Stunden.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 30.03.2025 → Beitrag hören

Foto: Armin Smailovic

In einem Kopenhagener Großkrankenhaus ist so einiges im Argen: Ein neuer Kollege sorgt für Missstimmung, weswegen Chefarzt Einar Moesgaard das Arbeitsklima mit seiner Kampagne „Morgenluft“ aufbessern möchte. Derweil bedrängt sein völlig ambitionsloser Medizin studierender Sohn die Leiterein des Schlaflabors; der Stationsarzt Krogen hortet im Untergeschoss der Anstalt vielerlei medizinisches Gerät und Substanzen, die er für Gefälligkeiten wieder in Umlauf bringt. Es sind Geschichten wie diese, die im „Hospital der Geister“ als äußerer Handlungsrahmen das Genre Arzt- und Krankenhausserie bedienen. Aber da ist auch ein Mystery-Thriller, der den Krankenhausalltag immer mehr überlagert und verdrängt. Und der hat mit einem Verbrechen aus der Vergangenheit zu tun und der Geschichte des Ortes, mit dessen sumpfigem Untergrund, wo früher einmal Stoffbleicher gearbeitet haben.

„Der Dampf, der aus den feuchten Stoffen aufstieg, hüllte den Ort in ewigen Nebel. Jahrhunderte später entstand an der selben Stelle ein Krankenhaus mit modernster Technologie. Von nun an wurde hier gemessen und gezählt. Nie wieder sollte Aberglaube und Unwissenheit die Bastion der Wissenschaft erschüttern.“

In einer solch rationalen Welt hat man die Geisterjägerin Sigrid Drusse auf dem Kieker, die sich unentwegt mit simulierter Symptomatik einweisen lässt und einem untoten Mädchen auf der Spur ist, das im Schacht des Aufzugs ihr Unwesen treibt. Diesmal hat Frau Drusse es in die Neurochirurgie geschafft und dort ein hochteures CT machen lassen. Oberarzt Stig Helmer ist entrüstet.

„Offenbar ist diese Dame eine Art Guru, alles nur Bauernfängerei was die arme Irre da betreibt. Sie täuscht Krankheiten vor, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu erzeugen.“

Wolfram Koch spielt den Neurochirurgen. Wie ein Berserker stapft der Starschauspieler über die Bühne, mit gesenktem Kopf, wild um sich schimpfend, die Karikatur eines egomanischen Despoten. An seiner Seite spielt Ulrich Matthes den grenzenlos harmoniebedürftigen Chefarzt. Zusammen mit weiteren Kollegen treffen sie sich zu den albernen Ritualen einer Freimaurerloge, deren Vorsitzenden Jonas Sippel verkörpert. Er ist ein Star im Ensemble des inklusiven Berliner RambaZamba Theaters, wo unter anderen Schauspielerinnen und Schauspieler mit Downsyndrom arbeiten. Schon Lars von Trier hatte in seiner Serie aus den 1990er Jahren mit einem Schauspieler und einer Schauspielerin mit Down-Syndrom gearbeitet. Jan-Christoph Gockels Theaterversion erweitert den Blick auf von statistischen Normen abweichende Menschen. Da ist etwa die blinde und taube Tanja Hameter, die man behutsam auf die Bühne führt, wo sie dem Publikum ihre Form der Kommunikation erklärt.

„Ich möchte Ihnen kurz zeigen, wie ich mit anderen Menschen kommuniziere.“

Das so genannte Lormen-Alphabet erscheint auf der großen Gaze, die auch dann immer wieder vor die Bühne gespannt wird, wenn das Spiel übergangslos von physischer Präsenz auf Videobilder wechselt. Auf der Drehbühne steht ein teile eine fragmentarisches ekor, ein Aufzug ist erkennbar, mal werden Stühle auf der Vorderbühne aufgereiht, mal stakst eine wunderbar bös blickende Marionette als Geist einer vor hundert Jahren vergifteten unehelichen Arzttochter durch das aufgedrehte Spiel.

Lars von Triers filmisches Vorbild hatte subtil-ironisch verschiedene Genregrenzen seiner Seriengeschichte gestreift, hatte auch realistische Elemente mit einbezogen und dann die irdische Welt zugunsten der Ekstase eines immer verrückteren Geisterreiches hinter sich gelassen.

Metapher hierfür war die Architektur des „Kingdom“ genannten Krankenhauses, durch dessen rissig werdende Außenhaut das Verdrängte, das Dämonische und das Unbeherrschbare in die klinische Welt einbricht. Gesellschaftskritik, Vernunftkritik, dann Teufelswerk und Geisterspuk, Leben und Sterben, die dämonische Wiedergeburt des Bösen, all dass hatte eine geschlossene filmische Form. Auf dem Theater wird es mal zu Slapstick und Klamauk, mal zu ritualhafter Symbolik, dann zu aberwitziger Showattitüde. So scheut man sich nicht, in Glitzerkostümen den Abba Hit „SOS“ zu singen. Die fünfstündige Aufführung wuchert immer mehr in ästhetische Beliebigkeit aus, die Geschichte gerät aus dem Blick. Übrig bleibt eine Performance, die Menschen in allen ihren mentalen Zuständen eine Bühne bietet. Die berühren den Zuschauer und nur deshalb könnte sich das Binge-Watching lohnen.