Klima-Komödie in Dresden
Schwitzen im Panikmodus
von Eberhard Spreng
Das Staatsschauspiel Dresden hat eine Theaterversion des Filmklassikers „Der Zauberer von Oz“ im Programm. Es entstand nach dem Kinderbuch von Lyman Frank Baum. Hilfreich, denn darauf spielt „Garland“ im kleinen Haus des Staatsschauspiels an. Denn Svenja Viola Bungarten verschränkt in ihrem Klimakatastrophen-Musical verschiedenste Motive aus dem weltberühmten Stoff. Katrin Plötner inszeniert.
Deutschlandfunk, Kultur Heute – 20.01.2023 → Beitrag hören
Ein Feuerteufel geht um. Schon den 52. Hausbrand innerhalb eines Monats beklagt das Radio Garland, am Mikrofon Lorna Luft. Zu Gast ist der Filmemacher Salvatore Brandt. Der hat einen wirren Streifen herausgebracht, den aber mit Anliegen:
„Also es geht- es geht um die Katastrophe als Zustand, verdammt nochmal. Nicht die Katastrophe als kathartisches Ereignis, sondern die Katastrophe als Basis allen möglichen Denkens. Es geht im weitesten Sinne um die Dürre. Die zeichnet sich auch nicht durch ihren Charakter als Ereignis, sondern vielmehr als Zustand aus, nicht wahr?“
Die Welt, von der hier die Rede sein soll, verharrt in einem statischen Schockzustand; Zukunft ist nicht mehr Verheißung, sondern eine Drohung, das Denken ist im Panikmodus. Auf der Drehbühne des kleinen Hauses in Dresden ist diese Welt mit allerlei Symbolen des amerikanischen Traumes möbliert: Ein Marlboro-Mann, eine Cocacolaflasche, die US-Flagge in Fragmenten. Dazu zwei weitere Handlungsstränge: Ein als Löwe verkleideter Polizist verlangt an einer verlassenen Tankstelle nach Sprit, stößt auf eine Frau namens Judy Garland, die irgendwie nicht so recht in die Situation passt und ihm den Treibstoff verwehrt.
Außerdem kämpfen Onkel Henri und Tante Em in ihrer verlassenen Farm gegen die Trockenheit, die Hitze und die Ernteverluste. Riesige Puppenköpfe hat man den Beiden aufgesetzt. Krasse Darstellung, ironische Showzitate prägen eine Revue, deren Figuren Wiedergänger des großen Filmmusicalerfolgs „Der Zauberer von Oz“ sind. Ein altes Märchen als Steinbruch für einen auseinanderdriftenden Gegenwartsplot, bei dem das Ensemble eigentlich nur mit gemeinsamen Songs in den friedlichen Spirit vergangener Zeiten zurückfindet.
“Sleep sleep sleep, my lovely friend, dream dream dream, until the end off the night the sun will rise, then you’ll find the light.”
Die zunächst sehr unverbunden Erzählstränge laufen zunehmend in einer zentralen Figur zusammen, die schon zu Beginn des Abends in großen Videoprojektionen mit ihrer knallroten Strickmütze durch winterliche Wälder streift: Dorothee Sturm, die Brandstifterin und Umweltaktivistin:
„Wir haben noch 6 Jahre Zeit, die globale Erwärmung so weit herunterzudrosseln, dass meine Kinder noch auf dieser Erde leben können, ohne an jeder zweiten Ecke in einen Ressourcenkrieg zu geraten. Das ganze System muss geändert werden.“
Immer wieder schlägt das politische Anliegen der Autorin ungefiltert in theatrale Bekehrungspredigten um. „Garland“ ist eine Klimakatastrophen-Komödie, die sich zugleich aus Gegenwartsbezügen und Mythenstoffen speist: Im Mittelpunkt steht neben Dorothee Sturm natürlich der titelgebende US-Star Judy Garland. Sie ist Inbegriff des showbizgetriebenen American Dream und doch auch Beispiel für Verzweiflung, Alkohol- und Tablettenabhängigkeit. Sie ist hier eine allegorische Figur und Bild für unsere dem Untergang geweihte Kultur. Garlands bekannte Filmfigur, das Mädchen Dorothy Gale aus dem „Zauberer von Oz“ erlebt hier vor allem eine Spiegelung: Aus Dorothy Gale ist die Aktivistin Dorothee Sturm geworden. Anders als für Dorothy im Film geht für Dorothee im Theater die Zukunft verloren. Es kommt zur Abrechnung mit Mutter Garland. Ursula Hobmair und Bärbel Schwarz spielen die beiden.
– „Ich finde deinen Zugriff auf die Welt pubertär und pathetisch.
– Auf dieses Schuldgefühl reagierst du mit Aggression, denn die Schuld zu empfinden, wäre der schwierigere Weg und hätte was mit dem Eingeständnis von Fehlern zu tun. Du vertrittst die Meinung, alles richtig gemacht zu haben im Großen und Ganzen, und vergisst, dass das Große und Ganze, das du mitgestaltet hast, diesen Planeten zerstören wird.“
Der Mutter-Tochter-Streit als Konflikt um verschiedene Haltungen zu einer Dauerkatastrophe vor dem Kataklysmus. Das ganze aufgeladen mit Pop-Mythen des vergangenen Jahrhunderts, mit erprobtem Showmaterial und Puscheltieren. In dieser Schmuseästhetik klingen die Meldungen vom bevorstehenden Ende wie schrille, letztlich ausgedachte Warnrufe. Solche Mischungen von Kinderzimmer und Weltuntergang sieht man in diesen Jahren immer wieder mal auf den Bühnen. Auch Dresdens „Garland“ blickt auf die prognostizierte Katastrophe mit kindlichem Gefühls- und Figureninventar. Bleibt nur die Frage, ob ironische Musicalparodien das dystopische Denken wirklich aus dem Panikmodus befreien.