Ein-Remake-des-Puppentheaterklassikers-Schickgruber-am-Deutschen-Theater

Puppen am Deutschen Theater
Aufs Ende warten im Führerbunker
von Eberhard Spreng

„Schicklgruber“ war eine äußerst erfolgreiche Aufführung des australischen Puppenspielers Neville Tranter von 2003, mit der er seitdem in zahllosen Ländern auf Tournee war. Das englischsprachige Erfolgsstück wurde nun von dem Puppenspieler Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm ins Deutsche übersetzt, die selbst auch „puppenspielen“.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 29.05.2025 → Beitrag hören

Foto: Thomas Aurin

Ein kalkweiß angemaltes Puppengesicht, pechschwarze Haare mit einer Strähne über der Stirn, gerötete Augenränder. Die Puppe, die Nikolaus Habjan auf der großen Bühne des Deutschen Theaters im Arm hält, ist unschwer als Adolf Hitler zu identifizieren. Nur, im Dialog mit seinem Spieler will sie sich nicht in die ihr vorgesehene Rolle fügen.

– „Warum kann ich nicht Goebbels spielen? Psychologisch viel interessanter und physisch… mit seinem Klumpfuss…
– Undenkbar!
– Was meinen Sie mit undenkbar? Ich bin ein Profi! Als Schauspieler kann ich jede Rolle spielen. Sogar Eva Braun
wenn Sie wollen.
– Die ist schon besetzt.“

Manuela Linshalm teilt sich mit ihrem Puppenspielkollegen die Aufgabe, einer illustren Untergangsgesellschaft von so genanten Klappmaulpuppen im verrammelten Führerbunker die letzten Atemzüge einzuhauchen. Das sind Herr Goebbels sowie seine sechs Kinder, insbesondere sein einziger Sohn, Helmut, ein nerviger Schlaumeier, sowie ein grotesk übergroßer und fetter Herr Göhring mit Schweinnase, eine allegorische Figur, die den Tod verkörpert und ein lasziver Vamp mit etwas gespensterhafter Anmutung, das Fräulein Eva Braun.

– „Fräulein Braun ?
– Linge, ich bin so allein…
– Aber Fräulein Braun …!“

Die Puppenspieler sind in diesem Stück Dienstpersonal der Nazi-Elite und als solche in einer reizvollen Ambivalenz zu den von ihnen animierten Puppen: Sie beherrschen das Spiel und sind zugleich Befehlsempfänger ihrer Schutzbefohlenen. Dramaturgisch ist die vom australischen Puppenspieler Neville Tranter entworfene Farce etwas spannungslos. Aus den Lautsprechern kommt zwar ein Schlachtenlärm, der sich immer mehr der Berliner Innenstadt nähert, auch deutet herabfallender Staub auf nahe Einschläge. Auch liegen die Zyankalikapseln schon für die Einnahme bereit. Und dennoch treiben die Führerbunkerinsassen die immer gleichen verklärten Hoffnungen auf eine Lösung um, Goebbels etwa, der auf eine Rede des Führers hofft.

„Wie gesagt… Der Führer muss wieder hinaus. Er muss eine Rede halten an das Volk. Eine große Rede und wir erobern uns das Vertrauen des deutschen Volkes zurück! Eine glorreiche Rede wird uns aus dieser schrecklichen Lage befreien.“

Seit 2003 war „Schicklgruber“ eines der großen Erfolge des australischen Puppenspielmeisters Neville Tranter. Seine englischsprachige Inszenierung spielte in einem einfachen Verhau mit ungebügelten, schmuddeligen Vorhängen und sah ein wenig so aus, als seien seine Figuren aus dem Müll der Geschichte wieder auf gestiegen. Das Berliner Remake ist im Vergleich dazu geradezu abendfein: Ein großes Bühnenportal mit Reichsadler umrahmt es, seine gelegentlich herabgelassenen, üppigen Vorhänge hübschen es auf. Ein picobello gekleidetes Spielerduo sorgt für elegante Moves.

Neville Tranters Vorbild stand in einer Tradition anglophoner Hitler-Farcen, die es dem in trotziger Scham erstarrten deutschen Publikum in den Nachkriegsjahrzehnten ermöglichten, über die Alptraumfigur seiner Geschichte zu lachen. Das begann schon vor 1945 mit Chaplins „Der große Diktator“ und setzte sich vor allem in der amerikanischen Filmgeschichte fort. Außer etwa Georges Taboris „Mein Kampf“ von 1987 und Schlingensiefs „Hundert Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ von 1989, war in deutscher Sprache wenig Hilfreiches zu sehen. Der menschelnd realismusvernarrte „Untergang“ von Bernd Eichinger war 2004 wiederum ein herber Rückschlag.

„Schicklgruber“ am Deutschen Theater ist nun gar nichts weiter als eine freundliche Übergabe eines Puppenspielerbes. Der siebzig Jahre alte Neville Tranter ist nunmehr in Rente, wurde nach der Aufführung auf die Bühne gebeten und bestieg sie zu jubelndem Applaus am Gehstock. Als Altersempfehlung steht „ab Klasse 10“ auf den Seiten des Deutschen Theater. Ohne eine ausführliche didaktische Umrahmung dürfte der Lernerfolg in Bezug auf das Ende blutiger Imperien und ihrer Anführer allerdings sehr überschaubar bleiben.