Theater und der Nahe Osten
Hochzeit auf libanesisch
von Eberhard Spreng
Vor einem Jahr sollte Wajdi Mouawads „Hochzeit bei den Cromagnons“ in Beirut aufgeführt werden. Das verhinderten palästinensische Aktivisten. Das frühe Theaterstück kam in arabischer Sprache nun nach Paris. Mouawad eckt oft an, kämpft auf der Bühne und im Hörsaal aber weiter für ein Theater der Verständigung im Nahen Osten. Und bekommt Verstärkung vom ehemaligen israelischen Premierminister Ehud Olmert.
Deutschlandfunk, Kultur Heute – 01.05.2025 → Beitrag hören

Ein leicht debiler Sohn, eine narkoleptische Tochter. Die Cromagnons haben ein etwas komplexes Familienleben. Sie wollen die Tochter verheiraten, mitten im Krieg. Schauspieler Aly Harkous spielt den Sohn und erklärt die Situation.
“Das Stück spielt in einer Familie im libanesischen Bürgerkrieg. Mit Vater und Mutter, den Kindern Neel und Nelly, der Nachbarin Souhaila. Der große Bruder Walter ist im Krieg. Die Familie bereitet sich auf die Hochzeit der Tochter Nelly vor. Der Tisch wird gedeckt, Nachbarn eingeladen, aber gibt es überhaupt einen Bräutigam?“
Mit polternd lauter Komödienregie beginnt die „Journée de Noces chez les Cromagnons“, mit griffigen Spielanordnungen und handfesten Figurenbezügen. In ihrer Mitte die Mutter Nazha, die die libanesische Schauspielerin Aïda Sabra verkörpert.
„Ich habe den ganzen Krieg im Libanon erlebt. Fünfzehn Jahre. Wir lebten an der Demarkationslinie. Ein schlimmer Ort, mit vielen Bombardements. Und mit viel Angst. Wenn ich das heute spiele, kommen all diese Gefühle zurück. Auch die Erinnerung an Feiern, die wir veranstaltet haben aus trotziger Lebensbehauptung während der Bombardements.“
Regie führt der frankolibanesische Autor und Regisseur Wajdi Mouawad, der seit Jahren mit seinen Stücken aneckt: Bei Vertretern der einen oder anderen Community mit ideologischen und religiösen Verbindungen zu Kriegsparteien im Nahen Osten.
„In meinen Stücken gebe ich den Menschen eine Stimme, die man mich lehrte zu verabscheuen. Handeln kann ich nur im Schreiben. Und in dieser Beziehung ist der Libanon ein sehr spezielles Land: Wir haben kein Geschichtsbuch, in denen Libanesen die Geschichte des Bürgerkrieges erzählen.“
Sein Stück „Vögel“ wurde in München vor drei Jahren von jüdischen Studierendenverbänden als antisemitisch attackiert und dann abgesetzt. Die arabische Neuinszenierung seines frühen im Exil entstandenen Stückes über den Hochzeitstag im Bürgerkrieg wurde vor einem Jahr in Beirut von einem palästinensischen Verband verhindert. Wajdi Mouawad operiert quer über Redeverbote und Tabugrenzen hinweg. Am traditionsreichen Collège de France hielt er jüngst eine achtteilige Vorlesung. Trotz seiner scharfen Kritik am derzeitigen israelischen Premierminister fand sich dort auch eine Warnung vor einem europäischen Antisemitismus, den er mit dem Hang zu einer populären Droge vergleicht.
„Ehemalige Alkoholiker wissen, dass sie wachsam bleiben müssen, denn ihre Krankheit bleibt gefährlich. Der Antisemitismus schläft im Gehirn eines jeden Menschen, der ihn nur ein einziges Mal empfunden hat. Und das gilt für alle Formen des Hasses und der Ablehnung: Rassismus, Homophobie, Islamophobie. Der Alptraum ist nie vorbei. Man muss ihn managen.“
Dies sagte der Autor, Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor im großen Auditorium des Collège de France, in das er dann aber auch den ehemaligen palästinensischen Spitzenpolitiker Nasser Al-Kidwa und den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert aufs Podium bat. Der Künstler verbindet Poetik und die Politik einer vergangenen Verständigungschance, an die Ehut Olmert erinnert.
„Ein jeder Friedenvertrag ist für beide Seiten sehr schmerzhaft. Ich selbst fühlte die ganze Last von Tausenden von Jahren jüdischer Geschichte auf meinen Schultern, als ich als erster Premier Israels und Chef des jüdischen Volkes sagte, dass sich Israel und Palästina die Stadt Jerusalem teilen müssen. Leadership ist die Fähigkeit, in einer historischen Situation alles hinter sich zu lassen, was man sein Leben lang gepredigt hat. Einfach, weil in solchen Momenten die Zukunft wichtiger ist als die Vergangenheit.“
Wie kann sich die Sprache, die Erzählung, das Theater einmischen in die Schrecken der Gegenwart zumal im Nahen Osten? Adornos Satz „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“ greift Mouawad auf und versucht eine Neufassung angesichts der zeitgenössischen Schrecken.
„Nach Auschwitz, Ruanda, und während Gaza, in jedem getöteten Kind und im Herzen jeder Geisel, ist das Schreiben eines Gedichtes nichts barbarisches. Adornos Verdikt bekommt einen neuen Sinn, wenn man seinen Satz von rechts nach links liest: Alles Schreiben kann von nun an nur noch Poesie sein. Alles, was nicht Gedicht ist, ist Verrat.“
Mouawads Traum: Poesie und Theater können auch für den Nahen Osten Raum der Verständigung sein und so vielleicht auch einen Frieden vorbereiten.