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Ärger mit Laurent Wauquiez
Kulturpolitik nach Gutsherrenart
von Eberhard Spreng

200 bekannte Theater- und Festivalchefinnen und Chefs sowie zahlreiche ehemalige Kulturministerinnen- und Minister sind Unterzeichner eines offenen Briefes. Sie protestieren gegen die willkürliche Streichung von Subventionen in der von Laurent Wauquiez regierten Region Auverne-Rhone-Alpes.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 09.05.2023 → Beitrag hören

Foto: Peter Potrowl – Wikicommons

In diesen Tagen ist am Théâtre Nouvelle Génération in Lyon ein Stück über utopische Entwürfe zu sehen, die Mensch und Erde eine mögliche positive Zukunft verheißen. Autor und Regisseur ist Joris Mathieu, der dieses Haus für vorwiegend junges Publikum auch leitet. Er ist zudem Vorstandsmitglied des SYNDEAC, des französischen Bühnenvereins. Stellvertretend für viele seiner abgenervten Kolleginnen und Kollegen in der Region hatte er einen Brandbrief über Laurent Wauquiez’ Kulturpolitik verfasst, den ihm die Regionale Kulturverwaltung übel genommen und angekündigt hat, ihm die Gelder zu streichen. Die Grünen-Kulturpolitikerin Pascale Bonniel-Chalier entrüstet sich im Lokalfernsehkanal Lyon-Mag-TV.

„Das war ein absoluter Tiefpunkt. Da ist ein politisch Verantwortlicher, demokratisch gewählt, der sich wie ein Monarch benimmt. Das ist Obrigkeitswillkür, nach dem Motto: Sie sagen etwas was mir nicht gefällt, na dann streiche ich Ihnen die Subvention; heißt das: man kriegt Geld nur für Willfährigkeit Herrn Wauquiez gegenüber?“

149 Tausend Euro fehlen dem Théâtre Nouvelle Génération demnächst. Das ist natürlich nur ein geringer Teil des Jahresbudgets; Gelder der Region sind in Frankreich nur ein kleiner Anteil an den Kultursubventionen, weitaus mehr leisten Staat, Kommune und Departement. Der Schaden ist vor allem ein politischer. Denn nur das konzertierte Zusammenwirken der Gebietskörperschafen garantiert in Frankreich den Bestand von Kultur, Forschung und Lehre. Und genau in diese Kontinuität greift Laurent Wauquiez ein.

„Es gibt keinen Automatismus wie bei einer Rente. Subventionen gibt es nicht automatisch. Also müssen wir eine Auswahl treffen, was nicht immer einfach ist.“

Unter dem Vorwand des Ausgleichs zwischen Stadt und Land sind etwa der Hälfte der Kulturinstitutionen Mittel gekürzt worden. Willkürliche Entscheidungen häufen sich. Pascale Bonniel-Chalier erklärt die Strategie gezielter Verunsicherung.

„Man sagt: Wir entscheiden nicht mehr über die Budgets für mehrere Jahre. Jetzt, im Mai, haben die Kulturhäuser immer noch keine Beschlüsse zum laufenden Haushalt und wissen nicht, ob sie das Geld überhaupt haben, das sie ausgeben. Das schwächt die künstlerische Produktion im Bühnenleben ungemein.“

Die Oper in Lyon hat die geplante Produktion „On purge Bébé !“ aus diesen Gründen vorsichtshalber abgesetzt. Laurent Wauquiez, anderthalb Jahre lang Parteivorsitzender der konservativen Républicains, streichelt vor Fernsehkameras gerne Kühe, stapft mit roter Daunenjacke über Baustellen und reist mit Ackerdreck an den Schuhen nach Paris. Er performt den bodenständigen Mann aus der Provinz und sucht nahe an Marine Le Pens Rassemblement National einen Weg für die französischen Konservativen. Das heißt auch, er will bei der bäuerlichen Bevölkerung punkten.

„Vierzig Prozent des regionalen Kulturetats wird in Lyon ausgegeben. Für einen Bewohner dort gibt es dreimal mehr Geld für Kultur als in der Banlieue oder auf dem Land. Das ist nicht normal. Da müssen wir einen Ausgleich schaffen.“

Klingt plausibel, ist bei näherer Betrachtung aber haltlos. Seit Jahrtausenden sind die großen und teuren Versammlungsorte der Kultur in Europa in urbanen Räumen beheimatet, ist Kulturleben ein städtisches Phänomen. Dabei müssen die Kulturhäuser der Metropolen auch in ihr Umland ausstrahlen. Der abgestrafte Theaterleiter am Théâtre Nouvelle Generation, Joris Mathieu:

„Wenn man sich die Regionalkulturausgaben pro Kopf der Bevölkerung anschaut, kommt man bei uns auf gut 8 Euro jährlich. Andere, ärmere Regionen in Frankreich geben im Schnitt 12 Euro aus. Wäre unsere Region im Landesdurchschnitt, hätte sie genug Geld zur Verfügung für wirkliche Akzente .“

Der Paradigmenwechsel, den Laurent Wauquiez in seiner Region durchsetzen will, lässt sich so zusammenfassen: Gängelung und Destabilisierung der bestehenden Kulturszene, Förderung von wahlpolitisch nützlichen Einzelereignissen außerhalb der etablierten Institutionen. Pascale Bonniel-Chalier.

„Er hat der Kultur und den Intellektuellen den Krieg erklärt. Ein populistischer Weg, nah der extremen Rechten. Wir sehen doch überall in Europa, dass Populisten als erstes Universitäten und Kultureinrichtungen angreifen, Orte, in denen Kritik formuliert wird.“

Joris Mathieus Abstrafung in Lyon hat die Direktorinnen und Direktoren aller großen französischen Theaterhäuser und Festivals auf den Plan gerufen. Zusammen mit vielen ehemaligen Kulturministerinnen und Ministern, von Jack Lang bis Roselyne Bachelot unterschrieben sie einen Aufruf, der in der Tageszeitung Le Monde veröffentlich wurde. Sie alle wissen um die Gefahr, die von einem autokratischem Populismus für die Kultur ausgeht.