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Rassismus im Kulturbetrieb
Schwarze Körper, weiße Bühnen
von Eberhard Spreng

Die Diskriminierung des schwarzen Körpers im französischen Kulturbetrieb wird seit einigen Jahren lebhaft diskutiert. Auch in „Un pas de chat sauvage“ der Prix-Goncourt-Preisträgerin Marie Ndiaye, das nun in Straßburg auf die Bühne kam.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 07.03.2023 → Beitrag hören

Foto: Georges Biard/wikicommons

Ein schwarzer Schauspieler in der Rolle des weißen Macbeth, das gab es in den USA nicht nur im Film mit Denzel Washington, sondern auch mit Adama Diop auf der ehrwürdigen Bühne des Pariser Théâtre de l’Odéon. Die Inszenierung war ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer Diversität der Hautfarben und der Dekolonisierung des weißen Blickes auf den schwarzen Körper. Schwarze Menschen nicht nur im Kulturbetrieb erleben diesen Blick als eine Gefangenschaft in der Hautfarbe. Der ehemalige Star-Fußballer Lilian Thruram arbeitet heute in der antirassistischen Bildungsarbeit.

„Die Leute, die schwarze Menschen in ihre Körper einsperren, sind vor allem weiße Menschen. Sie sind ihrerseits in ihre weißen Körper eingesperrt, aber sie werden sich dieses Umstandes nicht bewusst.“

Natürlich ist die französische Gesellschaft aufgrund ihrer Geschichte deutlich diverser als etwa die deutsche. Auch sind Menschen nichtweißer Hautfarbe präsenter auf den Bühnen der Kulturindustrie, aber immer noch keine Selbstverständlichkeit im Kanon der subventionierten Hochkultur, des Theaters. Dies beobachtet die Anthropologin und Theaterhistorikerin Sylvie Chalaye.

„Im Musical, im Showbiz, da wo Geld verdient wird, gibt es mehr Diversität auf der Bühne: „Afrodescendants“, also Menschen afrikanischen Ursprungs. Denn für die gibt es durchaus ein Publikum. Eine Schauspielerin wie Claudia Tagbo von der Elfenbeinküste musste in Revuen und Stand-Ups spielen, bevor sie als Fernseh- und schließlich als Theaterschauspielerin engagiert wurde. Wenn sich die Theater mehr öffnen würden, käme wohl auch mehr junges Publikum mit afrikanischen Wurzeln ins Theater.“

Neben der Frage, wer auf den Bühnen, in Film und Fernsehen auftreten soll, wird die Frage, welche Rollenbilder dabei vermittelt werden, heiß diskutiert. Das schwarze Schauspielerinnenkollektiv „Noire n’est pas mon métier“ – „Schwarz sein ist nicht mein Beruf“ hat die senegalesisch-französische Schauspielerin Aïssa Maïga ins Leben gerufen.

Die Figur der schwarzen Frau ist ein Trugbild

„Die Figur der afrikanischen Frau im europäischen Kulturbetrieb ist eine Erfindung der Kunst. Vielleicht gibt es heute ein wenig mehr professionelle schwarze Schauspielerinnen aber was vermitteln sie? Der Körper der schwarzen Frau wird immer als tierähnlich gesehen, mit einer vermutlich hemmungslosen Sexualität – Das alles ist Klischee, Einbildung und ist immer noch virulent.“

Die Dekolonisierung der Vorstellungswelten bleibt die Kernaufgabe von Regisseurinnen und Regisseuren, Schauspielerinnen und Schauspielern, denn wie Lilian Thuram weiß, ist eine große historische Erbschaft abzuarbeiten.

„Der schwarze Körper ist seit Jahrhunderten in einem Dominanzschema gefangen. So wie es zwischen Männern und Frauen ein Dominanzschema gibt. Der schwarze Körper steht dem weißen Körper zur Verfügung. Deshalb sage ich, man kann nicht über den schwarzen Körper sprechen, ohne über den weißen Körper zu sprechen.“

Frankreich ist nicht nur gesellschaftlich Erbe der Kolonialzeit und des Sklavenhandels, es ist ja auch Erbe der Bilder des schwarzen Menschen, die in dieser Zeit entstanden und unseren Blick auf Schwarze bis heute beeinflussen. Auf dem Weg der Dekolonisierung und Überwindung von Diskriminierung geht Frankreich eine anderen Weg als etwa die USA. Gender, Race, Sex finden dort auf unterschiedlichen Kampfplätzen statt, auch auf den Bühnen der Kulturindustrie. Der schwarze, französische Bildungsminister Pap Ndiaye war zuvor als Historiker Spezialist für die Geschichte Nordamerikas.

Das Einzelne und das Universelle

„Um das Beispiel von Martin Luther King zu nehmen: Indem er sich für die afroamerikanische Sache einsetzt, kämpft er zugleich für universelles Menschenrecht. Das Besondere und das Universelle sind keine Gegensätze. Es ist ein vor allem amerikanischer Irrtum, einen Unterschied zu machen zwischen dem Allgemeinen und dem besonderen Kampf für die Rechte zum Beispiel von Frauen oder anderen diskriminierten Gruppen.“

Wie lässt sich der Kampf für die Überwindung der ökonomischen und sozialen Diskriminierung der zumal schwarzen Frau mit der Befreiung aus dem Gefängnis des weißen Blickes zusammen bringen? In diesem weiten Themenfeld operiert Marie Ndiayes wunderschön hintergründiger Text über die Begegnung einer weißen und einer schwarzen Frau. Die eine schaut, die andere agiert. Und in dieser Beziehung und ihrem Scheitern ist zu spüren, welch weiter Weg noch für die Überwindung des Rassismus zu gehen ist.