Geschichten-vom-Ende-kritisch-betrachtet

Gesprächsreihe in der Schaubühne
Das Ende bleibt aus
Von Eberhard Spreng

Behauptungen vom Ende unserer Welt sind in Mode: Das Ende der ökologischen Balance, das Ende der Demokratie, der Kunst, des Kapitalismus. Was ist dran an diesen Narrativen? Der Soziologe Heinz Bude spricht darüber mit Gästen in der vierteiligen Reihe „Geschichten vom Ende“

Deutschlandfunk Kultur, Fazit – 25.01.2021 → Beitrag hören

Foto: Gianmarco Bresadola

„Ob die Welt zuende geht, oder ob die Welt, so wie wir sie kennen, zuende geht? Wir wissen, dass die Welt ohne den Menschen begonnen hat, that’s for shure, und wir wissen, dass sie ohne ihn enden wird. Ich fürchte, das ist genau so sicher.“

Mit einem traurigen Gedanken zur historischen Perspektive der Menschheit begann Gastgeber Heinz Bude sein erstes Gespräch. Zwischen Verzweiflung, Fatalismus oder dem Vertrauen in die Veränderbarkeit der Welt schwanken, so der Soziologe, die Reaktionen darauf. Mit einer ungemein vitalen Argumentation zugunsten der dritten Perspektive konfrontierte ihn im ersten Gespräch über „Das ökologische Ende der Welt“ die Transformationsforscherin Maja Göpel, die das Schreckgespenst eines künftigen Konsumverzichts für das Ergebnis eines falschen Freiheitsgedankens hält.

„Ich werde als Kommunistin, als Sozialistin, als Diktatorin beschimpft wenn ich nur das Thema dahin lenke zu fragen: Wo werden wir eigentlich gezwungen? Eine Kollegin von mir hat es einmal so ausgedrückt: Ich möchte nicht immer mehr haben wollen müssen. Deshalb würde ich in die Kategorie „realistische Utopistin“ einsteigen. Ich finde es ganz wichtig, dass wir wieder viel mehr aus dieser wünschenswerten Zukunft heraus operieren und viel mehr den Blick auf den Horizont lenken und viel mehr überlegen, was wir loszulassen sollten und uns auf das zu fokussieren, was entstehen kann. Weil das gibt Mut.“

Der Mensch braucht ein neues Selbstbild

Das Menschenbild der Vergangenheit und ein falscher Fortschrittsgedanke habe uns, so die Beraterin für Nachhaltigkeit, in eine Lage gebracht, die von vielen als aussichtslos empfunden wird.

„Und deshalb ist die Menschenbildfrage so wahnsinnig zentral. Weil eben eine bestimmte Idee dessen, was wir sein können, einst den Umbau der Gesellschaft in dieses sehr Extraktive, Die-Natur-sich-Untertan-machen, sie-als-Ressource-annehmen eingebaut worden ist. Und das war zu dem Zeitpunkt auch nicht unbedingt ein Problem, denn wir hatten eine Milliarde Menschen und ganz, ganz, ganz viel Planet.“

Um 1800 hatte der Planet ca. 1 Milliarde Erdenbürger. Zu einem Zeitpunkt, als die großen industriellen Revolutionen noch bevorstanden. Die Trauer über die Zukunftslosigkeit unseres Zivilisationsmodells sollte aus der Geschichte neu gedacht und korrigiert werden. Dafür plädiert auch die Historikerin Hedwig Richter im zweiten Gespräch mit Heinz Bude, nun über das „Ende der Demokratie“. Sie glaubt, allen populistischen Gefährdungen zum Trotz, an eine Kontinuität demokratischer Entwicklung.

„Wenn wir vom Untergang der Demokratie reden, oder vom Verfall der Demokratie, dann setzen wir irgendwo eine Zäsur, von der aus es dann rückwärts gegangen ist. Oder wir setzen eine goldene Zeit, wo es irgendwie richtig war oder besser war. Mein erstes Problem mit diesen Untergangsdiskursen ist, dass ich diese Zeit nicht sehe: Wo war denn diese goldene Zeit?“

Was Heinz Budes Reihe „Geschichten vom Ende“ an der Schaubühne in ihren besten Momenten leistet, ist die Entlarvung eines überholten Begriffs der Moderne. Vor allem in den sehr differenzierten Betrachtungen der jüngeren Kunstgeschichte durch die Philosophin Juliane Rebentisch, die zunächst einmal die konventionelle Erzählung vom Ende der Kunst referiert.

„Die Moderne, die hatte noch ihre Avantgarden, Bewegungen, ihre
Ismen, und da hat ein Ismus den nächsten abgelöst. Da gibt es quasi eine nachvollziehbare Fortschrittslogik, und dann, ab den 1960er Jahren, gibt es das so nicht mehr. Und da gibt es irgendwo endlose Differenzen, aber das sind doch nur Differenzen, die der Markt braucht: Leere Differenzproduktion ohne Historizität, und eigentlich keine Fortschrittslogik mehr. Dieses Narrativ wird gerne erzählt und das wäre natürlich ein Kunstende.“

Drei Frauen widerlegen das Reden vom Ende

Für Juliane Rebentisch ist der bislang verborgene, weibliche Beitrags zur Geschichte der Moderne wichtig. Ähnliches gilt für postkoloniale Studien als Quelle neuer Sichtweisen. Beides äußert sich derzeit zum Beispiel in den Ausstellungen des New Yorker MoMA. Sie sind Quellen für ein neues Narrativ der Moderne, das ein Reden vom frustrierenden Ende der Kunst gar nicht mehr braucht.

Sind in der Schaubühnenreihe die drei Frauen dabei, das Gerede vom Ende als eine womöglich typisch männliche Marotte zu enttarnen? Das war zwar nie Thema, konnte aber als Subtext der Gespräche mitgedacht werden. Aber zum Abschluss der Reihe war es mit dem Soziologen Philipp Staab dann doch ein Mann, der auf die Fragen nach dem „Ende des Kapitalismus’“ mit Vermutungen über dessen Zukunft antwortete.

„Der wird zum einen leichter sein. Es wird weniger um die materiellen Güter gehen, und stärker um digitale Aspekte. Der wird tertiärer sein, also mehr auf Dienstleistungen basieren. Der wird auch Co2 ärmer sein. Der wird zweitens krisenhafte sein, unter anderem deswegen, weil es in diesen Bereichen die Winner-takes-all-Logiken gibt, auch weil die tertiären Jobs nicht die gleichen Produktivitätsentwicklungen haben, wie wir das zum Beispiel aus der industriellen Produktion kennen, und er wird im Grunde genommen deswegen: politischer sein.

Von Ende keine Spur, nicht einmal im Sprechen über den Kapitalismus. Wohl aber die Gewissheit, dass die Sphäre des Politischen wieder ins Zentrum der Zukunftserwartungen rückt.