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Ausstellung in Paris
Die Impressionisten entdecken den Sport
von Eberhard Spreng

Anlässlich der kommenden olympischen Spiele in Paris zeigt das Musée Marmottan Monet die Ausstellung „En Jeu! – Les artistes et le sport 1870 – 1930“. Sie beleuchtet 60 Jahre Wechselbeziehungen zwischen Malerei und Sport, der in dieser Epoche eine große gesellschaftliche Bedeutung bekommt.

Deutschlandfunk, Fazit, 04.04.2024 → Beitrag hören

Das Musée Marmottan Monet (Foto: Eberhard Spreng)

Ein Gemälde mit einer Gruppe von etwa 30 bunt gekleideten Reitern erwartet die Betrachterinnen und Betrachter im ersten Raum. Sie sind für den Start zu einem traditionellen Rennen in offenem Gelände aufgereiht. Es ist kein Zufall, dass dies ein englisches Rennen ist. Kurator Bertrand Tillier erklärt die Einflüsse Englands auf Frankreichs erwachendes Interesse für Sportereignisse.

„Seit den 1830er Jahren entwickelte sich in Frankreich eine große Englandmode, in Fragen des Stils und der Kleidung, der Literatur, des Theaters. Frankreich liebte alles, was aus England kam. Der moderne Sport ist ein Beispiel dafür. Nach Frankreich kommen damit Sportarten, die britische Eliten praktizierten, ihr Leitbild ist der sportliche Gentleman.“

Ebenfalls im ersten Raum hängt ein weiteres Motiv aus dem Pferdesport, das Edgar Degas als farbintensives Gruppenbild vor nur angedeutetem Hintergrund mit rauchende Industrieschloten inszeniert. Das seit der Antike fast erloschene Interesse am sportlichen Wettkampf entsteht in der entwickelten industriellen Revolution neu und gipfelt in den um die Jahrhundertwende neu aufgelegten olympischen Spielen. In der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts sind es allerdings nicht die heute populärsten Sportarten, Leichtathletik zumal, für die sich ein wachsendes französische Publikum interessiert.

„In diesem anglophilen Trend war Pferdesport angesagt, Segelsport und Rudern, Golf und Tennis, alles Disziplinen, die zunächst nur gehobene Schichten praktizierten. Aber dann demokratisierten sie sich im Verlauf des 19ten Jahrhunderts und wurden zu einer universellen Kultur.“

Emblematisch für die Ausstellung und auf Katalog und Plakat abgedruckt, ist die Darstellung einer Ruderregatta des Ferdinand Gueldry von 1883. Eine große, begeisterte Menschenmenge feiert den Zieleinlauf auf einer Seinebrücke mit schwenkenden Hüten. Gueldry war selbst auch Ruderer. Die Ausstellung betont die Begeisterung der Impressionisten für Sportmotive und ihren Spaß an eigenen sportlichen Aktivitäten. Paul Signac ist dafür ein prominentes Beispiel ebenso wie der wohlhabende Sammler, Impressionistenförderer und Maler Gustave Caillebotte.

„Er war Maler und selbst auch Sportler. Er hatte eine ausgeprägte Segelleidenschaft und besaß etwa 30 unterschiedliche Boote. Einige hatte er selbst konstruiert. Er wollte bekannte Bauweisen optimieren und war fast professionell in seinem Bootsbau. Wenn er dann den heimischen Yerres-Fluss malt und die Taucher und Segler, dann malt er zugleich sein soziales Milieu, das des wohlhabenden Bürgertums.“

Auffällig gehängt hat das Team im Musée Marmottan Monet ein großformatiges Werk des Gustave Courbet. Es zeigt eine selig dreinblickende Frau auf einer heute nicht mehr gebräuchlichen Surfbrettkonstruktion. Sie ist eine der wenigen weiblichen Sportdarstellungen aus der Zeit von 1870 bis 1930. In dieser Zeit gründete Pierre de Coubertin die olympischen Spielen der Moderne, traute Frauen aber bestenfalls zu, Männern Lorbeerkränze aufzusetzen. Marmottan-Museumdirektor Érik Desmazières.

„Wir haben ihm die Wiederaufkunft der olympischen Spiele zu verdanken, aber er dachte, dass Frauen nur zum Zuschauen taugen. Die mussten also selbst dafür kämpfen, dass sie im Sportkontext sichtbar werden. Vor allen die Tennisspielerin Suzanne Lenglen ist hier zu nennen. Immerhin waren dann bei den 1924-er Spielen in Paris Frauen zu erleben, zum Beispiel beim Fechten, das wie der Tennis einer der ersten femininen Sportarten war.“

Zu Beginn der Schau sehen wir nicht nur die wenigen sporttreibenden Frauen in ungeeigneten Gewändern. Im letzen Raum ist dieser Sportkörper fast nackt und Motiv für photografische Bewegungsstudien. Auch das Militär will wissen, was für die perfekte Performance wichtig ist.

„Die Niederlage im deutsch-französischen Krieg von 1870 traumatisierte die französische Gesellschaft, rief Revanchegefühle hervor und allarmierte die Armee: Die forcierte nun die sportliche Ausbildung. Viele Champions, vor allem im Pferdesport waren Militärs. Der Mann, der für eine Herakles-Plastik von Antoine Bourdelle Modell stand, war ein sporttreibender Offizier.“

Ungefähr mit der Zeit der olympischen Spiele von 1924 in Paris, an die Frankreich jetzt, einhundert Jahre später, anknüpfen will, endet das Zeitfenster der En-Jeu!-Ausstellung. So kann sie die ideologische Vereinnahmung des Sportlerkörpers im faschistischen Massenspektakel ignorieren, ja sie lässt davon nicht einmal eine Vorahnung zu. Aber sie zeichnet mit ihren 160 Werken reichhaltig den Weg vom aristokratischen Bewegungsspiel zum massenbewegenden Sportevent nach.