Debatte beim Theatertreffen
Raus aus der Wohlfühlblase?
von Eberhard Spreng
Zwei Kuratorinnen, ein Künstler und der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung diskutieren im Rahmen des Theatertreffens die Frage: „Was tun? Vom Umgang mit neurechten Kulturkämpfen“.
Deutschlandfunk, Kultur Heute – 18.05.2024 → Beitrag hören
Der Kulturkampf, der von der so genanten Neuen Rechten in den pluralen demokratischen Gesellschaften seit Jahren geführt wird, folgt einem Konzept aus der Vergangenheit. Und ausgerechnet einem eines marxistischen Denkers und Politikers: Antonio Gramsci schuf die Vorstellung von der „kulturellen Hegemonie“, die rechter Denker seit Jahren in öffentlichen Debatten erringen wollen. Moderator Florian Malzacher begrüßte das Publikum mit einer Einführung in die Problematik.
„Mit Perfidie hat die extreme Rechte den antifaschistischen Philosophen Antonio Gramsci gekapert und dessen Konzept der kulturellen Hegemonie. Um Wahlen zu gewinnen, muss zunächst die kulturelle Vorherrschaft errungen werden, über alle zur Verfügung stehenden Kommunikationswege. Diese neue Diskurshoheit verändert die gesamte gesellschaftliche Debatte. Wahlerfolge sind dann nur der letzte Schritt. Genau das erleben wir in den letzen Jahren.“
Eingeladen, um sich über die verschiedenen Formen des Widerstandes gegen die Revolution von Rechts auszutauschen, referierten die vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst ihre sehr unterschiedlichen Erfahrungen in Deutschland, Kroatien und Polen. So schilderte der kroatische Autor und Regisseur Oliver Frljić, den man in Berlin vor allem von seinen Inszenierung am Gorki-Theater kennt, frühe Formen der Zensur und Verfolgung im postjugoslawischen Kroatien. Die polnische Kuratorin Joanna Warsza erinnerte an einen Erfolg beim Kampf mit der polnischen PiS anlässlich der Venedig Biennale von 2022 und schilderte das Kulturverständnis einer Regierung, die Polen zuletzt acht Jahre lang regierte.
„Es gibt einen tragischen Umstand innerhalb all diese politischen Veränderungen: Eine rechte Kunst oder ein rechtes Theater gab es gar nicht. Es musste erst erfunden werden. Das haben wir in der Zeit der PiS-Regierung erlebt. PiS hat die Kulturausgaben tatsächlich erhöht, aber nur für Diskurse, die eine nationale Opferrolle bestätigen. Es gab also Geld für alles, was die Polen als Opfer zwischen den Mächten Deutschland und Russland schildert.“
Eher politisch komfortabel ist die Situation der Kampnagel-Leiterin Amelie Deuflhard. In Hamburg ist die AfD keine sehr starke Kraft und der Kultursenator Carsten Brosda ein Garant für den freien künstlerischen Ausdruck eines Kulturhauses, das ein dezidiert diverses und inklusives Programm macht. Bei der Frage, ob Widerstand gegen die neue Rechte auch den kontroversen Dialog mit Denkern der rechten Szene einschließt, ist sie bei dieser Debatte skeptisch.
„Wenn sie viele Migranten und Geflüchtete in ihrer Institution haben, und Menschen aus verschiedenen Ländern bei ihnen arbeiten, dann wollen sie keinen hereinlassen, der auf deren Abschiebung abzielt. Denn die fühlen sich dann nicht mehr safe. Ein großes Dilemma“
Diese Gretchenfrage im Umgang mit der neuen Rechten, die Frage nach Abgrenzung oder Debatte, führte zu der einzigen Kontroverse in einem doch etwas zu einvernehmlichen Gespräch: Thomas Krüger, der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, widersprach Amelie Deuflhard.
„Ich finde es zynisch, zu sagen: wir ziehen uns in unsere Tempel zurück und lassen das Geschäft die Zivilgesellschaft machen. Was wir brauchen ist Courage und die Schaffung von Solidarität mit all jenen in ländlichen Räumen, denen es wirklich schlecht geht, die unter Druck sind, die diesen Druck täglich erfahren, und nicht die komfortable Situation von Kampnagel oder den Berliner Kultureinrichtungen haben.“
Krüger schlug einige zumeist aktivistische Kunstformen vor, zwischen Dadaismus, öffentlicher Performance und Hausbesuchen bei AfD Politikern, um dem Druck von rechts aktiv entgegenzutreten. Wie er, so glaubt auch Joanna Warsza an einen quasi ontologisch linken Kern der Kunst.
„Kunst rettet wohl kein Menschenleben. Aber sie ist eine Sprache, mit der wir Widerstandkraft trainieren können, Hoffnung, Werte schaffen, und untereinander Signale austauschen. In einer politischen Situation die sich so rasant verschlechtert, ist die Förderung kultureller Werte eben auch eine Rolle der Kunst. Sie hat eine letztlich linke DNA.“
Selbst eine Inszenierung des diesjährigen Theatertreffens könnte, nach Thomas Krügers Meinung, Waffe im aktuellen Kulturkampf sein: Das Zürcher Spektakel „Riesenhaft in Mittelerde“, eine inklusive, anarchisch- trashige Immersion, könnte auch die arabischen Jugendlichen in Neukölln begeistern. Man müsste die Inszenierung eigentlich nur vom schicken Wilmersdorf in deren soziale Räume tragen.