Das-Pariser-Pantheon-muss-das-Gendern-erst-noch-lernen

Debatte um Inschrift
Das Pariser Panthéon soll das Gendern lernen
von Eberhard Spreng

Das Panthéon in Paris beherbergt als nationale Ruhmeshalle die Leichen oder die Kenotaphe von gut achtzig französischen Persönlichkeiten. Frauen sind kaum dabei. Vor allen scheint der Widmungsspruch auf dem Frontispiz sie auszuschließen. Darüber soll nun debattiert werden.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 04.09.2025 → Beitrag hören

Foto: Carlos Delgado (CC-BY-SA wikicommons)

“Qu’il n’y est aucune femme au Panthéon, c’est nier ce que, dans le passé, les femmes ont apporté à la Patrie.“

„Wenn es keine einzige Frau im Pantheon gibt, bedeutet das, dass der Beitrag der Frauen für das Vaterland verleugnet wird“. Das sagte Simone Veil 1992, die berühmte französische Politikerin, Holocaustüberlebende, Verfechterin der Legalisierung von Abtreibungen und erste Präsidentin des europäischen Parlaments. Es gab zwar damals eine Frau im Panthéon, aber sie war als die Ehefrau eines berühmten Chemikers in die Ruhmeshalle geraten. Ihr Mann hatte ausdrücklich gewünscht, von ihr auch im Tode nicht getrennt zu werden. Sophie Berthelot wurde so 1907 zur „Inconnue du Panthéon“, zur Unbekannten im Panthéon. Es war Francois Mitterrand, der 1995 die Diskriminierung von Frauen im Raum des nationalen Gedenkens beendete und die 1934 verstorbene Physikerin und zweifache Nobelpreisträgerin Marie Curie zusammen mit ihrem Ehemann ins Panthéon überführte.

„Heute Abend ist für die Nation ein Symbol wichtig : Es ist der beispielhafte Kampf einer Frau, die sich entschied, ihre Fähigkeiten in eine Gesellschaft zu investieren, die intellektuelle und öffentliche Verantwortung allzu oft Männern vorbehält.“

In der fünften Republik ist es Privileg des Präsidenten, über den Eintritt einer Persönlichkeit aus Kultur, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft, Militär, Wirtschaft oder Religion zu entscheiden. Aber seit Mitterrands exemplarischer Tat von 1995 haftet dem Eintritt weiterer Frauen ins Panthéon grundsätzlich etwas von nachholender Rehabilitierung des diskriminierten weiblichen Geschlechts an. So auch bei François Hollande, als er 2015 die Résistence-Mitstreiterinnen Geneviève de Gaulle-Anthonioz und Germaine Tillion in Panthéon brachte.

„Für Emanzipation und Menschenwürde, davon haben sich diese Beiden nicht abbringen lassen. Ja, diese Frauen haben ihren Platz im Panthéon.“

Emmanuel Macron seinerseits holte vor vier Jahren mit Josephine Baker die erste schwarze Bürgerrechtskämpferin ins Panthéon und sorgte damit für mehr Diversität unter dem Kuppelbau im fünften Arrondissement. Bis heute sind es sechs Frauen, denen der Eintritt ins institutionalisierte Gedenken Frankreichs gewährt wurde. Und zu ihnen gehört auch die eingangs zitierte Simone Veil. Das sind nicht einmal 10 % Frauenanteil im Panthéon und so bleibt noch viel Luft nach oben für aufholende Gerechtigkeit. Wer aber heute in die in Folge der Revolution umgewidmete Kirche der Heiligen Geneviève eintritt, tut dies unter einem kuriosen Schriftzug: „Aux grands Hommes – la Patrie reconnaissante“, „Für die großen Männer – die Nation in Dankbarkeit“, was die Bildungsministerin Élisabeth Borne gerne ändern möchte:

„Mir ist schon klar, dass „Homme“ hier auch Mensch bedeuten kann. So haben es wohl die Revolutionäre damals verstanden. Aber dazu gehört eben auch die Bedeutung der Frauen. Mir ist wichtig, allen Mädchen zu signalisieren, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft haben.“

Élisabeth Borne. (Foto: Benoît Granier / Licence Ouverte)

Bei den Kollegen von RTL TV erklärte die einstige Premierministerin vor wenigen Tagen ihren Vorstoß in Bezug auf die Inschrift über dem Eingang des Panthéon. Ohne in Details der französischen Grammatik einzusteigen – ein neuer Schriftzug wäre eine heikle Aufgabe. Hier einfach nur „Frauen“ zu ergänzen, wäre nicht aktueller Stand der genderinklusiven Schreibweisen. Die Bildungsministerin prescht gleichwohl mit Symbolpolitik vor.

„Was mir mit meinem Vorschlag wichtig war, ist Folgendes: Die Gleichheit von Mädchen und Jungen ist fundamental. Deshalb habe ich auch das Projekt “Mädchen und Mathe“ lanciert. Mehr Mädchen sollen in die Naturwissenschaften und da haben auch Symbole ihre Bedeutung.“

Da die Ministerin es nicht als ihre Aufgabe versteht, einen neuen Schriftzug vorzuschlagen und nur eine Panthéon-Genderdebatte anstoßen wollte, ist nun viel Raum für spöttelnde und ironische Vorschläge in den Medien. Man ahnt: Ein gendergerechter Widmungsspruch könnte auf das Frontispiz des Panthéon passen, wäre aber wohl so klein gemeißelt, dass ihn dann von unten niemand mehr lesen könnte.