Festival d’Avignon 2021
Verhalten optimistisch
von Eberhard Spreng
In einer kulturpolitisch sehr angespannten Situation präsentiert Olivier Py sein Programm für das 75. Festival d’Avignon. Aber Frankreich leidet unter hohen Ansteckungszahlen. Die Kulturministerin musste ihre Teilnahme an der Pressekonferenz absagen – sie ist an Covid-19 erkrankt.
Deutschlandfunk, Kultur Heute – 24.03.2021 → Beitrag hören
Das Klima, in dem die diesjährige Programmkonferenz des Festival d’Avignon stattfindet, kann turbulenter kaum sein. Mittlerweile rund siebzig Theater sind besetzt worden und manche sprechen bereits davon, das sich diese kulturelle Protestbewegung mit sozialen Bewegungen in anderen politischen Bereiche wie Ökologie und Landwirtschaft vernetzen will. Auch Kulturministerin Roselyne Bachelot, die eigentlich an der Pressekonferenz in Avignon teilnehmen sollte, steht im Kreuzfeuer der Kritik. Am Samstag war sie nach Atembeschwerden positiv auf Covid-19 getestet worden. Sie war zwar drei Tage zuvor geimpft worden, hatte sich die Infektion aber wohl zuvor schon zugezogen. Die Medien zeigen seither immer wieder Bilder von nahen Kontakten mit Künstlern: In der Oper etwa, als sie nach einer fürs Fernsehen veranstalteten Aufführung ohne Publikum den Sängern gratulierte oder bei der Ehrenlegion-Auszeichnung des Sängers Michel Sardou. Leichtsinn wird einer Ministerin vorgeworfen, immerhin hat der Großraum Paris mit einer 550er Inzidenz zu kämpfen. Was dieses Zustand für die Perspektive des Festival d’Avignon bedeutet, erklärten Olivier Py und sein Verwaltungsdirektor Paul Rondin ganz am Ende ihrer Pressekonferenz.
„Es gibt zwei Szenarien: Unser Traum ist, ein ganz normales Festival zu veranstalten, mit Masken natürlich, dem Desinfektionsgel und allgemeiner Vorsicht. Das andere Szenario wäre ein Festival mit reduziertem Publikum, 30 Prozent weniger, oder 40%, 50%, das wissen wir noch nicht.„
Schon vor einigen Tagen hatte eine neu geschaffene Theatervereinigung in der Festivalstadt die völlige Unklarheit beklagt, mit der das Off-Festival derzeit die Theaterschau vorbereitet. Wird es eine abendliche Ausgangssperre geben? Und ab wann? Wie viele Menschen dürfen in die Säle. Unbeantwortete und wohl derzeit auch unbeantwortbare Fragen. Relativ sicher ist, dass jede Aufführung von einem Corona-Lotsen überwacht werden soll. Sorgen bereitet den Verantwortlichen außer den Hygieneregeln in den Theatersälen die Menschenansammlungen, die sich in der kleinen Stadt zu Festivalzeiten immer wieder an einzelnen Hotspots konzentrieren. Festivaldirektor Olivier Py ist wie er immer wieder schmunzeln betone „verhalten optimistisch“. Er will , wie auch die Kulturministerin vor Wochen schon betonte, einen Sommer ohne Festivals ausschließen.
Für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Diversität
Sein Programm befasst sich in vielen Produktionen mit Frauenthemen. Auch sind über 46% der verantwortlichen Künstler Frauen. Für Py ist darüber hinaus Diversität eine Verpflichtung für eine Kulturschau wie Avignon.
„Ganz ehrlich: Wenn wir uns nicht proaktiv für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, dann kommen wie nicht vom Fleck. Es reicht nicht zu sagen: ‚Gebt mir eine andere Welt und ich gebe euch ein anderes Festival!’ Wir müssen uns aktiv für andere Weltbilder einsetzen. Wenn wir also immer die gleichen Künstler einladen, reproduzieren wir das immer gleiche Weltbild: Das des weißen Mannes.“