Ausstellung in Paris
Der schwarze Atlantik
von Eberhard Spreng
Deutschlandfunk, Kultur Heute – 05.03.2025 → Beitrag hören
Mit seinen letzten Ausstellungen hat sich die Pinault Collection im Hallenviertel der französischen Hauptstadt mit thematischen Setzungen als ein führendes europäisches Kunsthaus profiliert. Nun zeigt das Haus im Rundbau der ehemaligen Bourse du Commerce und fast vollständig mit Werken aus eigenem Sammlungsbestand „Corps et Âmes“. Vierzig Künstlerinnen und Künstler stellen zumal den schwarzen Körper ins Zentrum ihrer politischen und philosophischen Reflexion.

Der Körper einer nackten Frau liegt in einer karstigen Vulkanlandschaft, wenig später ist nur noch sein Abdruck zu sehen, in der dritten Aufnahme hat sich dieser Abdruck mit einer roten Flüssigkeit gefüllt. Ist das Blut? Ist das Lava? In ihrem kurzen Super-Acht-Film von 1975 assoziierte die kubanisch-us-amerikanische Künstlerin Ana Mendieta Themen wie Menschenkörper und Erdkörper, Exil, Verlust der Heimat und Vergänglichkeit; sie zeigte den menschlichen Körper als eine Spur im ewigen Prozess der Veränderung. Emma Lavigne hat die Ausstellung kuratiert.
„Es ging uns nicht um Darstellungen, die den Körper als Teil der Wirklichkeit zeigen, als etwas reales. Die Bilder sollen den Betrachter einladen, sie als Beiträge zu einem gedachten kollektiven Körper wahrzunehmen. Wir wollen das Bewusstsein für die Nähe zwischen Individuen schärfen. So wird der Körper zu einer politischen Botschaft.“
Von Miriam Cahn zu Georg Baselitz, von Duane Hansons „Hyperrealismus“ zu den „Body prints“ des schwarzen Künstlers David Hammons und vielem mehr reicht das Spektrum. Die meisten Werke sind nicht zu trennen von den politischen Umständen ihrer Entstehungszeit, in der Folge der Befreiungsbewegungen der 1960er Jahre.
„Bis auf die Ausnahme der Pop-Art, wo er potentiell zu einem Konsumprodukt mutierte, war der Körper kein Thema der Kunst mehr: Minimal, Arte Povera, Konzeptkunst, Abstraktion. Seine Rückkehr in die Kunst markiert das Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit des Menschen, und eine Rückkehr zu dessen politischer Dimension.“
In einem Schwerpunkt würdigt „Corps et Âmes“ den schwarzen us-amerikanischen Kameramann und Videokünstler Arthur Jafa, dessen Montagevideo „Love is the message, the Message is Death“ im zentralen Innenhof unter der Kuppel der Bourse du Commerce zu sehen ist. Das ist eine rasche Kollage von Videoaufnahmen: Übergriffe der Polizei auf Menschen mit dunkler Hautfarbe, Schnipsel aus der schwarzen Lebenswelt in den USA. Der Künstler erklärt.
„Mich interessiert es nicht, Kunst über schwarze Menschen zu machen, wohl aber: als ein schwarzer Mensch Kunst zu machen. Mich interessieren Fragen mehr als Antworten. Und ich tue das ganz bewusst als schwarzer Künstler, der wie viele andere Schwarze nicht wirklich als Teil der westlichen Gesellschaft gesehen wird.“

Ein weiteres Video von Arthur Jafa entstand in Zusammenarbeit mit einer Werkstatt für KI-basierte Bildgestaltung: Ein anthrazitfarbenes Meer in Bewegung, wogender Asphalt zu dumpfen Sounds. „AGHDRA“ sind 76 Minuten suggestiver Flow, dessen Entstehung Arthur Jafa so erklärt.
„Ich mag Wellen und deshalb sahen wir uns zunächst passendes Videomaterial von Wellen an. Und je weiter die Arbeit mit der KI ging, umso mehr folgte ich einer anderen Idee: Ich sagte meinem Team: Stellen wir uns vor, wir könnten die Haut von Miles Davis über den gesamten atlantischen Ozean spannen.“
Der „schwarze Atlantik“, eine Denkfigur des Soziologen Paul Gilroy über Kulturen der schwarzen Diaspora nach Jahrhunderten des Sklavenhandels, ist hier in einer animierten Allegorie eingefangen, für die sich Emma Lavigne begeistert.
„Das ist eine immersive Arbeit, mit tiefen Bässen, die unseren Körper durchdringen, so als lägen wir auf dem Boden der Sklavenschiffe, die den Atlantik überquerten.“
Emma Lavigne hat eine Ausstellung kuratiert, die von kleinen Klanginseln mit Soul und schwarzem Jazz unterlegt wird und Querverbindungen zu Bühnenkünsten aufweist.
„Auch wenn das eine Kunstausstellung ist: Tanz und Theater sind unterschwellig präsent: Ich verstehe das als ein Reigen, wie bei Antonin Artaud, der in seinem ritualhaften Menschheitstheater wollte, dass sich beim Anblick des anderen Körpers das eigene Menschsein verstärkt.“
So ist „Corps et Âmes“, mit seinem sehr sinnlichen Rückblick auf Körperbilder der vergangenen Jahrzehnte auch eine klare politische Botschaft.