Emmanuel-Macrons-Kulturpolitik-im-Check-nach-fuenf-Jahren

Macrons Kulturpolitik
Gemischte Bilanz
von Eberhard Spreng

Im Wahlkampf vor 5 Jahren versprach Emmanuel Macron eine neue Wissensoffensive vor allem für die nachwachsende Generation. Von drei Projekten war in seiner Kulturpolitik vor allem die Rede. Kurz vor der nächsten Präsidentschaftswahl stellt sich die Frage: Was ist daraus geworden?

Foto: Pressedienst-Russische-Föderation/Wikicommons

Deutschlandradio, Kultur Heute – 15.02.2022 → Beitrag hören

„Mon projet politique, c’est un projet d’émancipation.“

„Mein politisches Vorhaben bedeutet: Emanzipation.“ Diesen Satz sagte der französische Präsident vor fünf Jahren wiederholt. Und nahm sich drei große Kulturbaustellen vor: Die erste, die notorisch kurzen Öffnungszeiten der Bibliotheken. Der Präsident sagte 2017:

„Wir haben in Frankreich 7100 Bibliotheken. Durchschnittlich ist eine kommunale Bibliothek 40 Stunden in der Woche geöffnet. In Kopenhagen sind es 90 Stunden. Ein Oberschüler oder Student kann eine Bibliothek gar nicht nutzen, die am Wochenende zu ist und in der Woche ab 18:00. Das ist ungerecht, auch weil vor allem die Ärmeren sie brauchen.“

Die Verlängerung von Öffnungszeiten, das bedeutet eigentlich mehr Stellen, längere Arbeitszeiten, mehr Ausgaben. Für die Kommunen, denn in deren Verantwortung liegen die Mediatheken. Im ersten Regierungsjahr Macrons reduzierte der Staat aber seine Zuschüsse für die Kommunen um 300 Millionen Euro und förderte statt dessen Pilotprojekte. Bei dem Schriftsteller Érik Orsenna gab er zunächst eine Studie in Auftrag. Der konnte sich bei deren Präsentation im Beisein Macrons im Februar 2018 eine Spitze nicht verkneifen.

„Um es gleich ganz klar zu sagen: Ich hab mich unwohl dabei gefühlt, von den Bürgermeistern zu verlangen, dass sie das Geld ausgeben, das man ihnen gerade weggenommen hat. Zum Glück hat der Staat sich zu eigenen Ausgaben entschlossen.“

8 Millionen investierte die französische Regierung jährlich in ein Pilotprojekt für erweiterte Öffnungszeiten, an dem sich in den vergangenen Jahren über 600 Kommunen beteiligt haben. Aber Frankreich hat über 35.000 zum Teil sehr kleine Gemeinden. Die versprochene Demokratisierung des Zugangs zur schriftlichen Kultur ist das nicht.

Zweites Projekt: Der Passe Culture. Macron sagte 2017:

„Alle Jugendlichen bekommen, wenn sie 18 werden, 500 Euro für die Kultur: Um Bücher zu kaufen oder um ihnen Zugang zu kulturellen Veranstaltungen zu ermöglichen. Aber jeder von ihnen soll seinen eigenen Weg in die Kultur finden, selbst entscheiden.“

Das taten sie dann auch, auf ihre Weise, allerdings mit den letztlich auf 300 Euro pro Person eingedampften Fördermitteln. 84% gaben die 18-Jährigen für Druckwerke aus und davon entfielen 71 % auf Mangas; Regale mit den japanischen Comics waren schnell lehrgefegt. Aus dem Pass Culture wurde der „Pass Manga“, wie Medien spöttelten. Herzstück des seit Anfang 2019 zunächst in einer Pilotphase laufenden Projekts war die vom Kulturministerium in Auftrag gegebene App und die führte die Nutzerinnen und Nutzer mitunter an ihnen noch unbekannte Orte, wie ein Pariser Buchhändler feststellte.

„Man merkt, dass einige Nutzer nie in einem Buchladen waren und zuerst dachten, das sei nur eine Abholstelle für Waren, die sie in der App gefunden hatten. Es ist sehr positiv zu verzeichnen, dass sie jetzt immerhin wissen, was eine Buchhandlung ist.“

Den französischen Staat haben Lernerfolge wie dieser im vergangen Jahr 122 Millionen gekostet, im laufenden Jahr sind 244 Mio. für den Pass Culture vorgesehen. Der Pass Culture, der bislang etwas über 3,3 Millionen Nutzer verzeichnet – eine populistische Maßnahme mit noch offenem Ausgang.

Das dickste Brett aber ist die Besteuerung der großen Internetriesen wie: Google, Amazon, Facebook und Apple, die „GAFA“. 2017 sagte der Präsident:

„Dieser Bereich ist heute ein Dschungel. Es gibt kein globales Digital-Recht und diese GAFA entscheiden alles allein. Wir brauchen eine europäische Regulierung. Und auch die GAFA müssen an der Finanzierung von Kultur beteiligt werden.“

Mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Trump hat Macron die offene Konfrontation nicht gescheut, als er einen französischen Alleingang bei der Besteuerung der Internetgiganten beschloss. Seit dem März 2019 werden deren französische Umsätze mit 3% belegt. Im vergangenen Jahr wurde eine Einigung auf der Ebene der G7-Staaten möglich: Ziel ist eine Mindeststeuer von 15 %. Das französische Engagement in dieser Frage ist unbestreitbar. Macrons GAFA Pläne: ein laufender Prozess, bei dem sich erste Erfolge nicht leugnen lassen.