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Beginn einer Trilogie
Die Zeit heilt keine Wunden
von Eberhard Spreng

Pascal Ramberts neues Projekt „Les Conséquences“ ist der erste Teil einer Familiensaga in Trilogieform, die mit den Folgestücken „Les Émotions“ und „La Bonté“ bis ins Jahr 2029 weitergehen soll. Rambert, einer der profiliertesten zeitgenössischen Film- und Theaterregisseure, ist vor allem mit seinen weit über zwanzig Stücken einer der produktivsten Dramatiker Frankreichs.

Deutschlandfunk – Kultur Heute, 05.11.2025 → Beitrag hören

Foto: Louise Quignon

Menschen aus vier Generationen sind zu einer Beerdigung zusammengekommen. Und Teil einer problematischen Familie. Der Patriarch – Jacques – ist ein ehemaliger Psychiater und Bürgermeister und hat vier Töchter. Die Erstgeborene ist wegen ihrer massiven psychischen Störungen nicht gekommen. Diese sind ein gerne verdrängtes Familientrauma, das bei besonderen Anlässen wie Familienfesten zum Thema wird. Schwiegersohn Stan macht bittere Vorwürfe:

“Quel est la chaîne de violence. Tu aurais dû te retenir…
„Was ist das für eine Kette der Gewalt? Du behauptest heute, dass du sie mehr als alle anderen liebst. Aber woher kommt dein Sinneswandel? Ist es die Zeit, die alles verwandelt?“ fragt da Stan den alten Schwiegervater, dessen Tochter an mangelnder Liebe und Aufmerksamkeit zugrunde gegangen ist.

Wie verändert die Zeit unser Leben? Heilt sie wirklich, wie der Volkmund behauptet, alle Wunden? Oder hält sie große Verletzungen nicht eher verdeckt, bis diese dann in besonderen Situationen ihre böse, zerstörerische Macht entfalten? Auf Pascal Ramberts Bühne jedenfalls wird in diesem Sinne abgerechnet. Denn auch Jacques andere Töchter hadern trotz oder vielleicht gerade wegen ihres gutbürgerlichen Status’ mit ihrem Leben, ihren Ehemännern. Einer vor ihnen ist Arthur, der nach einem simplen Missverständnis in Bezug auf einen Treffpunkt ausflippt.

C’est impossible que je te donne r.d.v. devant le magasin Pylone…
„Es kann nicht sein, dass ich mich mit Dir vor einem Pylones-Laden verabrede. Es gibt zwei Dinge, die ich im Leben einfach nicht ertrage und das sind Pylones- und Desigual-Läden.“

Gelächter im Publikum über den von Arthur Nauzyciel brillant komödiantisch verkörperten Neurotiker. Pascal Rambert hat seine Figuren Starschauspielerinnen- und Schauspielern auf den Leib geschneidert, mit denen er schon seit Jahren zusammenarbeitet. Seine episch angelegte Familiensaga, eine Trilogie, beginnt mit „Les Conqéquences“ und soll bis 2029 fortgesetzt werden. Sein Ensemble wird also weiter altern und genau dieser Umstand interessiert einen Regisseur, der die Veränderung seiner Figuren und die historischen Veränderungen der Gesellschaft spielerisch ineinander verwoben hat.

„Am Ende kommt man immer wieder auf die Eltern, so ist die Politik. Ich bin härter geworden, bin ins andere Lager gewechselt. Anscheinend tendiert Frankreich nach rechts und ich tendiere jetzt auch dahin.“

Foto: Louise Quignon

Pascal Ramberts Text verzichtet buchstäblich auf Punkt und Komma, springt zwischen dem Privaten und dem Politischen frei hin und her. Er erzählt von den Lebenslügen der 68er Generation, dem Scheitern linker Ideen, dem Rückzug demokratischer Parteien, vom Zynismus der neuen Rechten. Er ist Sittenbild einer einst links und humanistisch orientierten Gesellschaft, die keine Kraft mehr hat für das Hochhalten der eigenen Werte. Und deren jüngste Vertreter ihr Glück in alten Ritualen suchen:

„Mathilde et moi, on va se marier…“

Im fließenden Übergang finden zwei Hochzeiten und zwei Beerdigungsfeiern statt, es gibt Zeitsprünge von mehreren Jahren. Die Bühne ist eine Zeitmaschine, ihre Leitmetapher der Kampf der Generationen.

Unter einem riesigen weißen Zelt hat der regieführende Autor sein bewegtes Gruppenbild inszeniert. Ein Feldlazarett könnte so überwölbt sein oder ein ambulanter Ausstellungsraum. Im grellen Neonlicht wirken die Körper wie Exponate und zugleich hat dieser Spielraum etwas vom Backstage des Lebens, ein Ort, in dem nicht der schöne Schein dieser gehobenen Gesellschaftsschicht performt, sondern ihr klägliches psychisches Scheitern seziert wird.

Ce n’est jamais le moment de dire…
„Es gibt den richtigen Augenblick nicht, um etwas zu sagen. Die Griechen irrten mit ihrer Vorstellung von Gott Kairos und dem rechten Augenblick und auch das Kino irrt mit seiner Dramaturgie. Das Leben ist nicht so: Hier folgt Verrat auf Verrat, Kummer auf Kummer, Schweigen auf Schweigen.“

Mit dieser bitteren Aussicht endet ein Abend, in dem ein brillantes Ensemble vom langsamen Ende einer ganzen Epoche erzählt. Auch wenn manches hier doch sehr stereotyp daherkommt und eher konventionelle Rollenbilder vorgeführt werden.