Raphaela Edelbauers Roman Dave ueber kuenstliche Intelligenz auf der Bühne

Futuristischer Roman auf der Studiobühne
Im Technikgottesdienst
von Eberhard Spreng

In Raphaela Edelbauers 2021 erschienenem Roman „Dave“ ist KI die Hoffnung für Reste einer Menschheit, die in völliger Überbevölkerung untergegangen ist. Am kleinen Spielort des Deutschen Theater hat das Wilke Weermann eingerichtet.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 01.03.2023 → Beitrag hören

Foto: Thomas Aurin

Eine Labor für künstliche Intelligenz ist das letzte Überbleibsel einer untergegangenen Menschheit. Hier basteln Übriggebliebene zur Lösung ihrer Probleme an der Entwicklung einer Mensch-Maschine-Intelligenz. In der Box des Deutschen Theaters lässt man’s locker angehen, im Gewand einer Science-Fiction-Parodie, in der eine Akteurin und drei Akteure in spacig schimmerndem Grau dem Publikum erst mal erklären, was ein Skript ist:

– Was sind Skripts?
– Sie skizzieren, wie Dave mit einer bestimmten Situation umzugehen hat. Sowas wie’n Entscheidungsbaum?
– Vereinfacht gesagt.

Die KI „Dave“ soll sich wie ein Mensch verhalten und nun versuchen die Programmierer, die in Wilke Weermanns Inszenierung mit Schweißerbrillen vor den Augen an Computertastaturen herummachen, Skripts zu entwerfen, Unterprogramme, die der Maschine je nach Situation die passende Handlungsweise vorgeben. Millionen davon beherrscht das menschliche Gehirn; viel Arbeit also für Programmierer und viel Gelegenheit für Fehleingaben. Bei der Simulation der Einladung zu einem Abendessen, zu der eine Maschine einen Menschen bittet, wird das komisch-makaber.

„Zuerst alles ganz normal. DAVE schaltete ins Unterscript „Wie man einen Gast bewirtet“. Dann wurde es auf einmal ziemlich lustig, weil jemand offensichtlich einen Fehler in der Objekt-Subjekt-Zuordnung übersehen hat. DAVE hat den Gast aufgeschnitten und mit Zwiebeln in den Topf geworden, während er dem Rinderstück ein Glas Wein servierte.“

Am besten, so stellen die Technik-Nerds fest, man klont einen realen Menschen und implementiert sein Verhalten in das der Maschine. Allerdings muss der arme Syz, den man als Kopiervorlage für die KI Dave ausgesucht hat, dabei erfahren, dass sich seine eigene Wirklichkeit in dem Maße verändert, in dem der Prozess voranschreitet. Er fragt sich, was das Ziel des Laborchefs letztlich ist. Syz erfährt auch, dass er einen Vorgänger hatte, von dem nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird.

„Arthur Witteg war ein klassischer Nerd. Er wollte wissen – und zwar nicht gesagt bekommen, sondern wirklich wissen, was die Grenzen des Verstandes, die äußersten Bedingungen der Erkenntnis waren.“

Der Theater-Abend reißt einige nicht unwichtige Fragen an: Wer entscheidet über Ziele und Grenzen der KI-Projekte. Welche Verantwortung kommt dem Techniker zu, der an künstlicher Intelligenz arbeitet? Will er eine Maschine, die denkt, aber keine Intentionen hat um letztlich selbst in den Besitz eines mächtigen Werkzeugs zu kommen? Und wer hackt letztlich wen: Der Mensch die Maschine oder umgekehrt? Nur wenn Dave kein Bewusstsein hat, kann jeder die KI für seine Zwecke missbrauchen.

Orgelmusik ertönt, später auch Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ was ziemlich unvermittelt an Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ erinnert. Und hinter den zwei Rundbögen, die das graue Dekor überspannen, leuchten Rechtecke auf, deren Farben an modernistische Kirchenfenster erinnern. Davor stehen zwei Holzkonstruktionen in der Form von Beichtstühlen. Technik als Gottesdienst. Links flimmert ein altertümlicher Fernseher vor sich hin und auf dem erscheint, verrauscht und von anderen analogen Bildfehlern begleitet, gelegentlich eine äußerst kokette Almut Zilcher als Wissenschaftlerin aus der Vorvergangenheit:

„45 Milliarden Menschen bevölkerten Schulter an Schulter unseren darniedergetretenen Globus…“

Das also ist die Vorgeschichte für das „Dave“-Projekt, dem letzten Überrest einer untergegangenen Menschheit. Die Theateradaption nach dem futuristischen Roman von Raphaela Edelbauer, zeigt keinen Wettkampf Mensch versus Maschine. Sie zeigt keine putzigen Roboter oder Avatare; hier ist die ganze Bühne ein technischer Sakralraum für Simulationen und die mentalen Verwirrungen, die sie hinterlassen: Kann man überhaupt mit Sicherheit sagen, was real ist und was virtuell, was Mensch und was ein Bot? Vor allem Lorena Handschin lotet darstellerisch einigermaßen beeindruckend diesen Grenzbereich aus. Auf die bleischweren Fragen nach der Zukunft der Menschheit findet diese Arbeit aber nur komische und leichfertig unbefriedigende Antworten.