Karel Čapek Roman auf der Bühne
Untergang im Bällebad
von Eberhard Spreng
Karel Čapeks satirischer Science-Fiction-Roman „Der Krieg mit den Molchen“ von 1936 erzählt von einer ökologischen Katastrophe, in die die Menschheit aus Profitgier hineinschliddert. An der Schaubühne hat Clara Weyle die Theaterfassung von Soeren Voima inszeniert.
Deutschlandfunk, Kultur Heute – 06.06.2022 → Beitrag hören
Vier Menschen mit üppigen Backenbärten und ziemlich klein karierten Anzügen sind versammelt und lauschen den Erlebnissen des abenteuerlichen Kapitäns Van Toch. Der hat eine Riesenmolchart entdeckt, die sich vorzüglich im lukrativen Perlengeschäft ausnutzen lässt. Wenn man die Molche mit Messern und Harpunen ausstattet für den Kampf gegen ihre Fressfeinde, die Haie, versorgen sie die Menschen im Gegenzug mit den begehrten Perlen. Was nun beginnt, ist die satirische Version eines letztlich grandios scheiternden Joint-Ventures von Herren-Menschen und Sklaven-Molchen.
„Direktes Sonnenlicht verkraftet es nur Stunden. Fazit: Im Trockenen geht seine Leistung gegen null. Häufig beregnet und im Schatten kann es dagegen sechsundzwanzig Stunden und vier Minuten ohne Pause arbeiten.“
Im Theaterklamauk um die Annäherung von Mensch und Molch wird ein Film gedreht, wird das Tier als Jahrmarktsattraktionen ausgestellt, werden wissenschaftliche Exkursionen durchgeführt. All das auf der halbrunden Bühne im so genannten Globe der Schaubühne, die hier komplett mit kleinteiligem Mosaikparkett ausgekleidet ist. In den Boden ist aber auch ein kleines Bassin mit lauter schwarzen Kügelchen eingelassen, in das man eintauchen, in dem man verschwinden kann. Kennt man solche „Bällebäder“ nicht auch aus den Kinderspielecken großer Einkaufszentren? Auf jeden Fall kullern bald lauter schwarze Plastikbällchen putzig über die gesamte Bühne und illustrieren auf sehr kindgerechte Weise, wie die ozeanische Kultur der Molche den menschlichen Lebensraum erobert. Ein Arbeitsmolch versucht mit Kehrblech und Handbesen, dann mit Mini-Staubsauger und schließlich einem Laubbläser die Bälle wieder zurück ins kleine Bassin zu befördern. Bastian Reiber spielt diesen gewissenhaften Molch, der bald auch Talent für die menschliche Sprache entwickelt.
„Ks, Ks, Ks. Brrr. Brrr, Brrr, Brrr. Mani, Mani, Manihiki. Mama, schau! Mama, schau! Brrrr. Ein Molch. Brr, ist der häßlich. Riesenmolch. Riesenhäßlich.“
Der Molch ist gelehrig und sogar bereit, sich den Molchekel der Menschen zueigen zu machen. Und auch sein Kostüm wechselt vom glänzend schuppigen Overall mit langem Reptilienschwanz zu einem schicken Anzug im Schlangenleder-Look. Die Geschichte der Annäherung einer Spezies an die andere wird farcig, klamaukig vorgeführt, ein geradezu niedliches Theater, das gelegentlich unterhält und immer wieder langweilt. Schließlich werden für den Molch, dem man zunächst mit Abscheu und Angst begegnete und den man dann ausbeutete, Menschenrechte eingefordert.
„Wenn wir unsere Kultur erhalten wollen dann muss sie doch das Erbe aller sein! Freiheit, Gleichheit usw. Und Teilhabe! Gebt unseren Molchen endlich Schulen!“
Das große Mensch-Molch-Bündnis endet in einem ökologischen Desaster. Die rasant explodierende Molchpopulation verändert die Erdoberfläche, trägt das Festland ab, erweitert die Küsten zu flachen Feuchtgebieten und raubt den Menschen den Lebensraum. Die Sklavengattung wird dank ihrer einst vom Menschen erlernten technischen und wissenschaftlichen Kenntnisse zum neuen Weltbeherrscher. Derweil steht der Theatermolch hoch oben über den Flutgebieten und veranstaltet eine Radioshow über die Apokalypse.
„Zugeschaltet ist mir der Philosoph Hans Peter Sloterdijk, Autor des dreibändigen Werks “Schäume”, “Blasen” und “Sphären”. +++ Es ist an der Zeit, den Epilog zur Geschichte der Menschen zu schreiben. Die Tragödie Mensch geht zu Ende. +++Hallo, Hallo, hört mich jemand?“
Die Theaterversion von Soeren Voima lässt die militärischen Aspekte der Romanvorlage aus und beschränkt sich auf die ökologischen Folgen einer kapitalgetriebenen Kooperation und Konkurrenz von Molch und Mensch. Da aber Farce, Satire, und Komik ihre eigene, eng gesteckte Ästhetik haben, ist hier sogar der Weltuntergang ein lustiges Vergnügen: Aus einer Tür wallt ein riesiges Tuch blähend über die kleine Spielfläche und verdrängt das kleine, taumelnde, hilflos mit dem Tuch ringende Ensemble von der Bühne. Natürlich darf es die alle Formen sprengende Apokalypse auch als satirischen Klamauk geben, aber von dieser Theaterbearbeitung einigermaßen unterfordert, stellt sich der Betrachter dann doch die Frage, ob diese Bühnenkomik überhaupt etwas von der Welt zu fassen kriegt, von der hier die Rede sein soll.