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Französische Kulturpolitik
Die neuen Herausforderungen
von Eberhard Spreng

Emmanuel Macron verlor bei der Parlamentswahl seine Mehrheit in der Assemblée Nationale. Er kann nicht mehr allein regieren. In der Kulturpolitik stehen zwischen Regierung und linker Opposition wichtige kulturpolitischen Debatten an, aber es gibt auch überraschende Übereinstimmungen. Mittendrin: Die neue Kulturminsterin Rima Abdul-Malak.

Deutschlandfunk, Kultur Heute – 25.06.2022 → Beitrag hören

Foto: Thibaut Chapotot / Ministère de la Culture et de la Communication

Die scheidende Kulturministerium Roselyne Bachelot kann sich zugute halten, dass sie in ihrer knapp zweijährigen Amtzeit die von Corona massiv bedrohte Kulturszene vor dem Untergang gerettet hat. Bei ihrem Abschied gab sie ihrer Nachfolgerin allerdings auch eine Warnung mit auf den Weg.

„Es bestehen immer noch große Risiken für die Kultur. Eines ist, dass wir inmitten der digitalen Revolution das Augenmerk immer nur auf die Gefäße richten, auf die medialen Kanäle statt alle unsere Anstrengungen auf die Inhalte zu lenken. Die Kultur darf nicht zerfallen, sich nicht auflösen in Technologie.“

Die neue Kulturministerin Rima Abdul-Malak muss man auf solche Gefahren eigentlich nicht hinweisen, sie ist in kulturpolitische Themen bestens eingearbeitet und war als Kulturberaterin des Präsidenten übrigens die Architektin des Coronarettungsplanes für prekär Beschäftigte im Kulturbereich. Sie hat, anders als ihre Vorgängerin, keinerlei politisches Gewicht, ist aber in der Kulturszene bestens vernetzt.

„Ich werde massiv für die Kunsterziehung eintreten, den Kunstunterricht. Es geht darum, in unserer Jugend die Lust auf Kultur zu entwickeln. Und ich freue mich darauf, das mit Pap Ndiaye unserem neuen Bildungsminister zu tun.“

Die für das französische Selbstverständnis so zentralen Ressorts Kultur und Bildung hatte der Präsident also nach seiner Wiederwahl in die Verantwortung von Menschen gegeben, die Diversitätskriterien bestens entsprechen: Geflüchtetenkind des libanesischen Bürgerkrieges die eine, Historiker und Spezialist für zumal schwarze Sozialpolitik in den USA und Frankreich der andere. Die französische Rechte schäumte nach der Ernennung des schwarzen Ndiaye, Bruder der Prix Femina und Prix Goncourt-Preisträgerin Marie Ndiaye: „Wokismus“ „Indigenismus“, letztlich rassische Voreingenommenheit und Verrat der französischen Werte warf man dem neuen Minister vor, mit dem Macron offensichtlich im linken Lager punkten wollte. Nun aber, nachdem Macrons Mitte-Bündnis die absolute Mehrheit im Parlament verloren hat und das Linksbündnis „NUPES“ stärkste Oppositionskraft werden könnte, dürften Personalia von inhaltlichen Debatten abgelöst werden. Die bislang in den Medien kaum präsente neue Kulturministerin sagte zu ihren Akzenten.

“Ich werde mich für starke öffentliche Medien einsetzten, für unabhängige und pluralistische. Eine Medienlandschaft, die sich neuen Mediennutzungen anpassen muss und dieser digitalen Revolution, die sich immer mehr beschleunigt. Auch aus diesem Grund plant Präsident Macron eine große Konferenz über das Recht auf Zugang zu Information.“

Diese noch sehr allgemein gehaltene Zielsetzung maskiert den höchst umstrittenen Plan Emmanuel Macrons, die Hörfunk- und Fernsehgebühren abzuschaffen und die Finanzierung durch anderweitige staatliche Zuwendungen zu ersetzen. Eine Gängelung der Medienlandschaft ist zu befürchten. Die extreme Rechte, Marine le Pen, schlug gar die Privatisierung der öffentlichen Sender vor, die „NUPES“ hingegen plädiert massiv für den Erhalt des bestehenden Modells. An deren Thesenpapier Kultur hat Coline Bouret maßgeblich mitgearbeitet.

„Mir ist wichtig, dass diese Finanzierung erhalten bleibt, da nur sie Qualität und Unabhängigkeit garantiert. Deshalb ein klares Nein zur Abschaffung der Rundfunkbeiträge, wie sie Macron vorschlägt. Natürlich muss man in diesem Zusammenhang die Veränderung der Mediennutzung mit berücksichtigen: Die digitalen Plattformen. Wir wollen die Streamingplattformen dazu zwingen, ihre Algorithmen offen zu legen, damit diese ihre Inhalte den Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr aufzwingen können; die User sollen selbst auswählen können.“

Disney, Amazon, Google und Co. sollen Algorithmen offen legen? Träumen ist ja nicht verboten. In der kulturpolitischen Debatte um die Zukunft der Medien dürfte es zwischen Macrons Liberalen und der neuen Linken heftigen Dissens geben. In anderen Gebieten sind sie sich erstaunlich nahe: Beide sprechen in gleichlautenden Schlagworten von der Bedeutung der „Education artistique et culturelle“ als großem Ziel. Beide Seiten halten also kulturpädagogische Programme für wichtig. Die Grünen, die ein wichtiger Teil von Melanchons „NUPES“ sind, haben in den seit wenigen Jahren von ihnen regierten Großstädten bereits bewiesen, wie sie das meinen: Kiezkultur statt teure Oper. In der „NUPES“ spricht man gerne von der „Culture de Proximité“. Roselyne Bachelots Warnung vom Anfang müsste man ergänzen: Frankreichs Kultur möge sich bitte sowenig im Digitalen auflösen wie im Pädagogischen.