Die Olympiade Culturelle sucht ihr Profil im Jahr vor den olympischen Spielen in Frankreich

Olympisches Kulturprogramm
Hauptsache inklusiv
von Eberhard Spreng

Das olympische Kulturprogramm, die „Olympiade Culturelle“, soll Frankreich bis zum Eintreffen der Fackel am kommenden 26. Juli in Olympialaune versetzen. Aber dafür stehen vergleichsweise geringe Geldmittel zu Verfügung.

Deutschlandfunk – Kultur Heute, 04.09.2023 → Beitrag hören

Foto: MartinChang/MC/SIPA PRESS – Paris2024

Wer auf der Webseite der „Olympiade Culturelle“ nach einer Kulturveranstaltung sucht, findet auf einer Frankreichkarte ca. 450 verschiedene Punkte markiert. Die meisten im Großraum Paris, andere in großen Städten der Provinz, seltener auf dem Land. Das sind quer durch die Genres oft kleine Ausstellungen, Tanzveranstaltungen, auch Theater, Film und Performance, die im weitesten Sinne mit Sport zu tun haben. Über 800 weitere Initiativen warten noch auf das Programmlabel . Die Choreografin und Kulturmanagerin Dominique Hervieu koordiniert das Kulturprogramm.

„Die olympische Ideologie stellt Sport, Kultur und Erziehung in den Mittelpunkt. Alle Sportarten und alle kulturellen Disziplinen sind uns willkommen. Unsere Olympiade Culturelle ist populär, multikulturell, für alle Regionen offen, mit dem Blick auf ökologisch nachhaltige, solidarische und sozial inklusive Spiele.“

In Parks veranstalten Tanzkompagnies kostenlose Workshops für die Bevölkerung, Geschichten von berühmten Sportlerkarrieren werden theatral erzählt, Mediatheken, Kulturhäuser, Bürgermeisterämter machen mit im Kleinkunstallerlei, das die Zeit bis zu den Olympischen Spielen im kommenden Sommer begleiten soll. Die Kulturministerin Rima Abdul Malak sieht die Verbindung von Sport und Kultur als historischen Auftrag, seit ein Franzose vor 130 Jahren die Olympischen Spiele der Neuzeit ins Leben rief.

„Pierre de Coubertin sah damals auch Wettkämpfe für künstlerische Disziplinen vor. Man konnte mit Literatur, Bildhauerei oder Architektur Medaillen gewinnen.“

Immer wieder vergleicht man sich mit London, wo zuletzt, 2012, olympischen Spiele auf europäischem Boden stattfanden. Allerdings muss Frankreichs Kulturprogramm mit deutlich geringeren Mitteln auskommen: Statt der angekündigten 15, hat die Olympiade Culturelle nur 12 Millionen; ein Bruchteil der knapp 80 Millionen, die dem damals viel beachteten Londoner Kulturprogramm zuflossen. Beklagt wird in einigen Medien eine Gießkannenförderung und zuviel Kleinklein. Ein Startschuss ins Programm waren die Tage des offenen Denkmals Mitte September, an denen sich auch das Kulturministerium beteiligte.

„Wir sind in dieses Kulturjahr vor den olympischen Spielen mit den Denkmaltagen gestartet. Wie jedes Jahr gibt es 20 Tausend Baudenkmäler zu besichtigen, aber dieses Mal sind dies auch historische Sportstätten, alte Schwimmbäder, Sporthallen und Stadien. Und Kulturveranstaltungen an historischen Orten, in einer Verbindung von Schauspiel, Sport und Zirkus.“

Ein Projekt der Kulturministerin war die Performance „Horizon“ auf dem Dach ihres Amtssitzes und der Kolonnade des Palais Royal: Gruppenakrobatik mit Wow-Effekt. Ein Schwerpunkt dieser olympischen Kulturschau ist urbaner Sport. So wird Breakdance als neue olympische Disziplin aufgenommen. Damit zeigt sich Frankreich offen für Ausdrucksformen der einstigen Subkultur an den Rändern der Gesellschaft. Immer wieder ist von Inklusion die Rede. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo blickt schon auf die Eröffnungszeremonie voraus.

„Wir wollen inklusive Spiele veranstalten. Und das bedeutet auch der kostenlose Zugang zur Eröffnungszeremonie auf der Seine. Erstmalig in der Geschichte der olympischen Spiele wird sie außerhalb eines Stadions stattfinden. Vor mehreren hunderttausend Zuschauenden! Aber keine Sorge: Paris ist solche Großereignisse gewohnt.“

Aufgrund der anstehenden außerordentlich schwierigen Sicherheitslage und den immer noch 20 Tausend unbesetzten Stellen in der Branche hatte Innenminister Gérald Darmanin für Verärgerung gesorgt, als er vor Monaten für kommendes Jahr alle großen Sommerfestivals absagen wollte, um das gesamte Sicherheitspersonal auf die olympischen Spiele zu konzentrieren. Die Hochkultur beäugt das olympisches Kulturprogramm seitdem mit Misstrauen. Der Regisseur für die feierlichen Zeremonien muss hier Integrationsarbeit leisten. Thomas Jolly ist ein Kind des subventionierten Theaterbetriebs und freut sich auf den Job seines Lebens.

„Die Seine und die schönste Stadt der Welt sind das Bühnenbild für die Eröffnung. Eine grandiose Idee! Denn hier hat sich die französische Geschichte eingeschrieben in Bauwerke und ihre Architektur. Unser Team hat viel recherchiert, um herauszufinden, was davon zum Schauspiel werden könnte: Für eine Geschichte Frankreichs und der Stadt Paris.“

Dass auch die arme „Olympiade Culturelle“ bis zum 26. Juli 2024 noch mehr bewegt als allerlei Beiläufiges irgendwo zwischen Stadtraumakrobatik, Sportanimation und kultureller Sozialpädagogik bleibt zu hoffen.